ZIEGEL TAFEL 1: Ein historischer Überblick
Der Ziegel ist wohl der älteste bearbeitete Baustoff der Menschheitsgeschichte.
Zwei biblische Beispiele machen es deutlich: Die Menschen hatten schon zu dieser Zeit erkannt, dass erst die Mischung von Lehm mit anderen Bindestoffen einen widerstandsfähigen Stein ermöglicht.
Schaukasten links: EXODUS 1 BZW. 5, 6-8
Da zwangen die Ägypter die Israeliten zum Dienst […]
Und der Pharao befahl: Gebt den Leuten nicht mehr, wie bisher, Stroh zum Ziegel machen! Sie sollen selber gehen und sich Stroh besorgen. Legt ihnen aber das gleiche Soll an Ziegeln auf, das sie bisher erfüllen mussten. Lasst ihnen davon nichts nach!
Bildunterschrift: Herstellung von Lehmziegeln in Ägypten: Der Lehm wird gemischt, die Ziegel werden in Holzformen, zum Trocknen in der Sonne ausgelegt und mit einem Joch zu Bausstelle getragen (Wandmalerei im Grab des Rechmire zu Theben. 1460 v. Christus)
Schaukasten rechts: BUCH GENESIS/1. MOSE, KAP. 11
„Wohlauf, lasst uns Ziegel streichen und brennen!“ Und sie nahmen Ziegel zu Stein und Erdharz zu Kalk und sprachen: „Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, dass wir uns einen Namen machen!“
Bildunterschrift: Das Zikkurat von Ur – der Turm von Babylon?
Ab dem 11./12. Jahrhundert aber wurde der Ziegel der bevorzugte Baustoff insbesondere in den Gegenden, die nicht über große Natursteinvorkommen in der Nähe verfügten. Das war insbesondere in der norddeutschen Tiefebene, den Niederlanden, aber auch im ganzen Ostseeeraum der Fall, in der als besondere Form des repräsentativen Bauens mit Formziegeln die sogenannte Backsteingotik entstand.
Von nun an war der Ziegel als Baustoff etabliert. Die „kleinen Leute“ aber bauten weiter ihre Häuser als Fachwerkhäuser. Wegen der Brandgefahr in den dichter besiedelten Städten wurden diese bald nicht mehr mit Stroh, Reet oder Holz gedeckt, sondern der Dachziegel setzte sich in ganz Deutschland durch. Die Ziegel wurden vielfach selbst gebrannt, aber da die Qualität doch stark zu wünschen übrig ließ, entstand parallel ein Handwerk, das nicht in Zünften organisiert war, sondern von Wanderarbeitern ausgeführt wurde, den Zieglern.
Das galt auch noch im 19. Jahrhundert, als die Industrialisierung einen gewaltigen Bedarf an Bauwerken hervorrief: Fabriken, Wohnhäuser, Brücken und Bahnhöfe für die Eisenbahn usw. Erst als der technische Fortschritt auch die Herstellung von Ziegeln erfasste, entstand eine Ziegelindustrie.
Großes Bild unten: Im 19. Jh. entdeckte man den Ziegelbau neu wie z.B. an der 1904–1906 erbauten Christuskirche in Leverkusen zu sehen. Foto: Walter Montkowski
ZIEGEL TAFEL 2: Herstellung bis zur Neuzeit
Seit der Zeit der Babylonier und Ägypter hat sich die Technik der Ziegelherstellung nicht wesentlich geändert.Man braucht Ton oder Lehm in ausreichender Menge, die auch im hiesigen Raum durch die geologischen Bedingungen gegeben waren. Entlang des Rheins waren bzw. sind es im wesentlichen Schlemmlehme, die der Strom im Laufe der Jahrtausende abgelagert hatte. Weiter ins Bergische hinein finden sich Schiefertone, Ergebnis der Verwitterung der ursprünglichen Steine im Laufe der Zeit.
In beiden Fällen wurde der Ton/Lehm mit der Hand abgebaut, wie auf einem Foto aus dem Heimatmuseum Vilsbiburg (Bild unten links) zu erkennen.
Dieser Abbau fand bis in die Neuzeit hinein meist im Herbst statt, man ließ die Tonbrocken den Winter über liegen. Im Frühjahr wurden die weiter verwitterten Klumpen in einer Grube mit Wasser übergossen und dabei auch von Pflanzenresten und anderen Verunreinigungen befreit. Der so gereinigte Lehm wurde dann aufbereitet, das heißt, in einen formbaren Zustand versetzt.
Enthielt der Lehm zu viel Ton – in der Zieglersprache „er war zu fett“ – musste ihm Sand und Wasser zugesetzt werden. Oder man wollte durch Zusatzstoffe wie Schamotte, Ziegelmehl o.a. dem Ziegel besondere Eigenschaften geben. Diese Mischung erfolgte in kleinen Ziegeleien durch Stampfen mit bloßen Füßen, größere bedienten sich tierischer Hilfe (s. Fotos unten).
Bild 1: Arbeiter beim Lehmabbau. Foto: Heimatmuseum Vilsbiburg
Bild 2: „Kleimühle“: In einem hölzernen Bottich mischt eine vertikale, mit Messern versehene Achse den Lehm
Bild 3: In einer „Mischbühne“ ziehen Pferde einen mit Steinen beladenen Karren durch den Lehm. Fotos mit freundlicher Genehmigung des LWL
Der so gewonnene Lehm wurde auf den Streichtischen von den Zieglern in die Streichrahmen gepresst, die geformten Ziegel dann auf einem sandigen Boden zum Trocknen aufgestellt. Nach drei Tagen wurden die vorgetrockneten „Grünlinge“, wie sie hießen, in sogenannten „Hagen“ hochkant und verschränkt aufgestapelt. So konnten sie im Wind durchtrocknen. Zum Schutz vor Regen wurden diese in kleinen Ziegeleien mit Strohmatten abgedeckt, größere bauten Trockenschuppen.
Nach einigen Wochen waren die Ziegel soweit, dass sie gebrannt werden konnten. Das geschah im Feldbrand oder aber in Ziegelöfen.
Ein solcher Ziegelofen ist links im Hintergrund der Zeichnung aus dem 16. Jahrhundert zu sehen: ein quadratischer Schacht, unten war ein Rost eingebaut, die Rohlinge wurden von oben in die Brennkammer gebracht. Der Vorteil: Die Ziegel waren gleichmäßig gebrannt. Der Nachteil: Es waren jeweils nur kleinere Mengen, man musste den Ofen auch immer wieder auskühlen lassen, bevor man die Ziegel entnehmen und ihn neu nutzen konnte.
Bild 4: Ein Zieglerdrückt den Lehm in eine Form. Hinten sieht man den Ofen und den Bau eines Gebäudes aus Ziegeln. Quelle: Wikipwedia/ https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/61/Ziegler-1568.png
Beim Feldbrand wurden die Ziegel (s. Abb. unten) aufgeschichtet: Man erkennt die vielen Luftzüge, damit die Hitze an alle Ziegel gelangte, sowie die Feuerungskanäle. Das Ganze wurde mit Lehmmörtel verkleidet, um die Hitze im Inneren zu halten, oben noch gegen Regen mit Erde und alten Ziegeln abgedeckt. Dann wurde das Feuer in den Schürkanälen angezündet, die schon während des Baus mit Brennmaterial gefüllt wurden. Je nach Größe des Meilers und der Qualität des Brennmaterials musste das Feuer 20-25 Tage brennen, bis die Steine gebacken waren.
Das Abkühlen dauerte noch einmal bis zu 14 Tagen, dann konnte man die gebrannten Ziegel abbauen. In solchen Feldbrandöfen konnten bis zu 300.000 Ziegel gebrannt werden. Der Nachteil: Häufig waren nur 50 % der Ziegel wirklich brauchbar, sei es, weil die Hitze zu hoch war oder aber Asche und Schlackerückstände die Ziegel unbrauchbar machten.
Bild 5: Ein Zieglerdrückt den Lehm in eine Form. Hinten sieht man den Ofen und den Bau eines Gebäudes aus Ziegeln. Quelle: Wikipwedia/ https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/6/61/Ziegler-1568.png
Großes Bild unten: Unten: Handstrichziegelei im Museum Ziegelei Lage: 1. Lehmaufbereitung in einer Mischmühle. 2. Trockenschuppen, 3. Streichtisch und Streichrahmen, 4. Sandbahn zum Ablegen der Grünlinge. Fotos: Walter Montkowski
ZIEGEL TAFEL 3: Herstellung in der Neuzeit
Mit der beginnenden Industrialisierung stieg auch der Bedarf an Ziegeln enorm an und war durch die herkömmlichen Produktionsformen kaum zu decken. Man entwickelte die Brennkammern weiter, wie z.B. im Casseler Flammofen: Man konnte den Brennvorgang durch die Luftschächte und einen Schieber im Kamin besser kontrollieren. Der Brennvorgang dauerte nur noch 9 Tage. Allerdings musste man auch hier das Abkühlen abwarten, bevor man ihn ausräumen und neu nutzen konnte. Eine deutliche Verbesserung stellte dann schon das 2-Kammerverfahren dar, das auch die Ziegeleien in Leverkusen nutzten, wie die nachstehende Bauzeichnung (1874) der Küppersteger Dachziegelei Seven (Quelle: Stadtarchiv Leverkusen, Akte Nr. 10.010 ) deutlich macht.
Die Firma prosperierte so, dass Herr Seven schon 1885 einen Bauantrag für einen vierten Ofen stellte.
Während für die Produktion von Dachziegeln Öfen dieser Bauart weiterhin genutzt wurden, waren für die Produktion von Mauerziegeln die Ringöfen, die nach Ihrem Erfinder „Hoffmann´sche Ringöfen“ genannt wurden, deutlich effektiver. Ein Beispiel ist die Ringofenziegelei „Hamm“ (rechts: Bauzeichnung von 1906, Quelle: Stadtarchiv Leverkusen, Akte Nr. 10.010)
Die Abbildung unten aus dem Ziegeleimuseum Lage verdeutlicht die Funktionsweise dieses neuen Brennofens, der sich seit seiner Patentierung 1858 in ganz Europa durchsetzte:
Während in eine Brennkammer neue Rohlinge eingesetzt werden, werden aus der benachbarten Kammer die gebrannten Ziegel herausgeholt. Durch die einströmende Frischluft werden die Ziegel zum einen abgekühlt, zum anderen wird aber das Feuer mit Sauerstoff versorgt. Der Rauch wiederum wird durch den Zug des Kamins über die Ziegel bis zum Rauchabzug geleitet. Die Aufgabe des Brennmeisters auf der Ofendecke besteht nun darin, durch die Schüttlöcher das Feuer mit Brandmaterial (gemahlene Steinkohle) zu versorgen. Indem er im Bereich des Nachfeuers keine weitere Kohle einfüllt, dafür aber jetzt im Vorfeuer, wandert das Feuer durch den Ring. Gleichzeitig muss er auch den nächsten Rauchabzug öffnen bzw. den bisherigen schließen. Der links eingezeichnete Papierschieber verhindert im Übrigen, dass die Luft den falschen Weg nimmt. Jede neu eingesetzte Brennkammer wird mit einem solchen Schieber abgeschlossen, der, wenn das Feuer sich nähert, verbrennen kann. Es leuchtet ein, dass hier kontinuierlich große Mengen an Ziegeln gebrannt werden können.
Schaukasten:
MASCHINISIERTE ZIEGELHERSTELLUNG IM 19. JAHRHUNDERT
Fotos zur Verfügung gestellt von der noch existierenden Ringofenziegelei Gillrath bei Erkelenz
Bild 1: Der gestochene Lößlehm mit den entsprechenden Zutaten gemischt.
Bild 2: In einem Kollergang – wie eine große Mühle – wird dieses Gemisch zerrieben und homogenisiert.
Bild 3: Das Gemisch wird durch Wasserzugabe auf die richtige Feuchteeinstellung gebracht. (Früher geschah das im Vorfeld in den Gruben.)
Bild 4: In einer Vakuum-Strangpresse wird ein Tonstrang erzeugt, …
Bild 5: … aus dem dann der Abschneider die einzelnen Ziegel herausschneidet.
Bild 6: Diese werden nun in eine Trockenkammer gebracht, die sich an dem Ringofen befindet. Hier trocknen sie in der Ofenabluft. Von dort gelangen sie dann in den Ringofen. Heute geschieht der Brennvorgang im Tunnelofen, der aber nie in Leverkusen zum Einsatz kam und deshalb hier nicht erläutert wird.
Großes Bild unten: Funktionsweise eines Brennofens, Skizze aus dem Ziegeleimuseum Lage. Fotos: Walter. Montkowski
ZIEGEL TAFEL 4: Ziegeleien in Leverkusen Rheindorf
Ein erster Nachweis einer Ziegelei im Leverkusener Stadtgebiet findet sich im Jahr 1430: im Urkundenbuch der Abtei Altenberg wird ein Johann Pieck von Sieberg als Besitzer der wieder aufgebauten Burg Rheindorf erwähnt, der mit dem Monheimer Vogt – „Heinz auf der Straße“ – in Rheindorf eine Ziegelfabrik betrieb, die man wohl als ältesten nachgewiesenen Gewerbebetrieb in Leverkusen bezeichnen muss. Bis nach Köln wurden seine Ziegel geliefert. Im Pachtvertrag für den Bergerhof von 1451 werden u.a. folgende Flurstücke genannt: „by dem Tegeloyven“ – „die Leymkuyle“- „an den Dehlen“: ein Hinweis auf die Ziegelei in dieser Zeit.
Im Rheindorfer Kirchenarchiv befinden sich Urkunden, die belegen, dass für den Neubau der St. Aldegundis-Kirche 1774 ein Meister Bartholomäus Hammel aus Lüttich in der Nähe der Baustelle 184.000 Feldbrandsteine brannte. Das Brennen der Steine dauerte von Juli bis September.
Mit der beginnenden Industrialisierung, dem Bevölkerungswachstum im 19. Jahrhundert wurde der Bedarf an Ziegeln (Backsteinen und Dachziegeln) so groß, dass immer mehr Ziegeleien gegründet wurden.
So sind in Rheindorf allein 9 Ziegeleien bestätigt, in der Regel alles Dachziegeleien, das heißt „Pannebäcker“.
- Franz Keufen: 1832 – 1970er
- Johann Stelzmann : 1835– 1957/58
- Anton Neurath: 1866 – ?
- Wilhelm Odenthal: 1874 – ?
- Heinrich Stelzmann: 1874 – ?
- Wilhelm Stelzmann/Leven: 1901 – ?
- Peter Neukirchen: 1907 – ?
- Franz Wolter: 1907 – ?
- Paul Stelzmann: 1928 – ?
Exkurs:
Die Ziegelmeister in unserer Region kamen meist aus Flandern und der Wallonie, in Norddeutschland aus dem lippischen, in Süddeutschland aus dem italienischen Raum. Sie brachten jeweils eine eigene Mannschaft von 8-12 Arbeitern mit, die Spezialisten für die einzelnen Produktionsschritte waren: Lehmmacher, Ziegelstreicher, Hagensetzer etc. Der Ziegler gehörte zu den nicht-zünftigen Berufen, da er außerhalb der Städte und nicht das ganze Jahr über tätig war.
Schaukasten 1:
Teil des Bauantrags von W. Odenthal aus 1874. Der Plan zeigt auch eine Ziegelei Leven, die also schon 1874 existiert, dann stillgelegt wird und später von W. Stelzmann aufgekauft und reaktiviert wird.
Schaukasten 2:
Zwei Lagepläne aus den Bauakten verdeutlichen den Standort und die räumliche Nähe der Ziegeleien. (Quelle: Stadtarchiv, Akte Nr. 10.010)
Auf diesem Abschnitt zwischen Griessenweg (heute: „Auf der Grieße“), Pützdelle und dem heute nicht mehr existenten Mühlenweg werden 1907 gleich zwei Ziegeleien erbaut: P. Neukirchen (links) und F. Wolter (rechts). Im Gelände der Lehmgrube der beiden Ziegeleien – als Grube noch erkennbar – befindet sich heute eine Reitsportanlage.
Dachziegelei J. Stelzmann
etwa im Jahr 1935: Die Zahl der Arbeiter war sehr gering.
Im Krieg wurde die Ziegelei zerstört. Bayer übernahm nach dem Krieg bis 1949 die Fabrik, um Dachziegel für den eigenen Aufbau herzustellen. Danach führte die Familie Stelzmann die Fabrik weiter, modernisierte sie und musste sie doch 1958/59 schließen.
Den Lehm gruben Stelzmann und Co. in den „Dehlen“ (eine alte Bezeichnung für Senke) bzw. In den Rheinwiesen. Die ausgeräumten Lehmgruben wurden dann für die Kiesgewinnung genutzt. Heute erinnern die Straßenbezeichnung In den Dehlen und der Große und Kleine Dehlensee an diese Geschichte.
Bild 1: Familie Stelzmann mit Arbeitern, Foto: Freiwillige Feuerwehr Rheindorf
Ziegelei Keufen:
Ein Luftbild aus den 50er-Jahren zeigt die damals noch existente Ziegelei Keufen, am rechten oberen Bildrand die Ziegelei J. Stelzmann. Letztere ist in Teilen noch heute erhalten. Dort ist seit 1960 die Freiwillige Feuerwehr Rheindorf und die DLRG untergebracht. Die Ziegelei Keufen wurde in den 80er-Jahren abgerissen. Heute existiert nur noch das Haus der Familie (Bildmitte). Auf dem Gelände entstanden um die neu angelegte Straße „An der Alten Ziegelei“ Einfamilienhäuser. Wie sich später herausstellte, ist der Boden dort durch das für die Glasur der Dachpfannen verwendete Blei noch heute verseucht.
Bild 2: Mit freundlicher Genehmigung aus: W. Longerich, Leverkusen-Rheindorf in alten Fotografien
Großes Bild unten: St. Aldegundis Kirche in Leverkusen Rheindorf, erbaut 1774 aus Rheindorfer Ziegeln. Foto: N. Kaluza
ZIEGEL TAFEL 5: Ziegeleien in Leverkusen Wiesdorf und Küppersteg 1
Schon 1820 hieß ein Grundstück auf dem Kahlberg, wo später Carl Leverkus sein Werk baute, nach dem Grundbesitzer: „Thurnscher Ziegelofen“. Der 1843 im Adressbuch als Dachziegler aufgeführte J.W. Gerhards hatte sein Grundstück von Thurn erworben und dort eine Ziegelei eröffnet. 1851 erscheint im Amtsblatt folgende Bekanntmachung:
Dieses Grundstück lag in etwa am heutigen Ludwig-Erhard-Platz. In Richtung Rhein gab es, wie ein Beschwerdebrief von 1862 anführt, 3 Dachziegelfabriken und 2 Ziegelfelder (wohl Feldbrandziegeleien), so dass der Weg in einem erbärmlichen Zustand sei.
Seit 1860 baut Carl Leverkus sein Werk auf und benötigt dafür viele Ziegel, die er auch im Werksgelände brennen lässt. Noch die amtliche Stromkarte des Rheins von 1883 weist im Bereich der Farbenfabriken eine Ziegelei aus, und auch in dem ausgestellten Gemälde „Wiesdorf um die Jahrhundertwende“ sind 3 Ziegeleien und eine Feldbrandziegelei zu erkennen.
Bild 1: Amtsblatt Kreis Solingen, 1851, Stadtarchiv Leverkusen
Nachstehende Ziegeleien sind in Wiesdorf, das mit Bürrig zusammen die Gemeinde Küppersteg bildete, u.a. bekannt:
Bild 2: Die Küppersteger Dampffalzziegelwerke von Wilhelm Seven
Bild 3: Unverputzte Ziegelbauten in der Elberfelder Straße in der Kolonie I (auch „Julia“) der Farbenfabriken (um 1900)
Bild 4: Entlüftungsschächte der früheren Wiesdorfer Ringofenziegelei. Quelle: Stadtarchiv Leverkusen, Sammlung Holger Schmitt
Fa. Seven (Küppersteger Dampffalzziegelwerk)
an der damaligen Manforter Str. (heute gegenüber dem Möbelhaus Ostermann). Die Firma wurde bereits 1818 gegründet. 1897 beschäftigte sie 60 Arbeiter. 1903 wird die Ziegekei verkauft, zunächst stillgelegt und dann 1906 von J. Ramrath erworben und weitergeführt.
Eine weitere Ziegelei in diesem Gebiet:
Bürriger Ringofenziegelei, Gebr. Steinacker, Overfeldweg 5. Für diese Ziegelei erhielt 1903 das Bauunternehmen August Gau aus Hilden die Baugenehmigung.
Fa. Schwund (1897: 80 Arbeiter)
Die Firma lag im Bereich der August-Kekulé-, Adolfs-, Albert-Einstein-Straße und des Carl-Duisberg-Platzes. Dort kann man auf dem ausgestellten Gemälde eine Ziegelei erkennen und fand dort 2016 auch entsprechende Bodenverunreinigungen.
Diese Firma muss dann an Arthur Strunk verkauft worden sein. Denn Im Jahre 1915 stellte Strunk noch einen Bauantrag für ein neues Maschinenhaus auf eben diesem Gelände. Darüber hinaus beantragte die Firma A. Strunk 1910 für 3 Jahre die Errichtung von 2 Feldbrandöfen am Dynamitweg in Wiesdorf. Das wurde ihr aber nur für 1 Jahr genehmigt, da im Herbst des Jahres Wohnhäuser bezogen werden sollten, die weniger als 100 Meter von einem der Öfen entfernt waren. Anscheinend wurden aber weitere Genehmigungen erteilt, da Strunk 1913 der Gemeinde Wiesdorf die Beschäftigung eines 14-jährigen Arbeiters in seiner Feldbrandziegelei anzeigt. All das zeigt den hohen Bedarf an Ziegeln nicht nur für das aufzubauende Bayer-Werk, sondern auch für die Kolonien.
Wiesdorfer Ringofenziegelei GmbH, Ziegeleiweg 18, (heute: Am Vogelsfeldchen/Moltkestr.)
1895 ist diese erstmals auf einem Messtischblatt eingetragen. 1912 beschäftigt sie lt. H. Lehmler – Wiesdorf anno dazumal – hundert Menschen. In den 30er-Jahren wurde sie geschlossen und abgebrochen, die um das Werk angelegten Lehmgruben wurden verfüllt und das Gelände zum Wohngebiet umgewandelt. Man legte neue Straßen an: Haberstr. – Moltkestr. In den 50er-Jahren entstand hier ein neues Wohngebiet, das den Bauherren dann manche Überraschung bot, wie im Bild zu sehen: Im Jahr 1999 stieß man in 1,50 m Tiefe auf diese Rundbögen aus Ziegelstein: Entlüftungsschächte der früheren Wiesdorfer Ringofenziegelei.
Großes Bild unten: Musikschule der Stadt Leverkusen, Bauzeit: 1907-1910. Foto: Walter Montkowski
ZIEGEL TAFEL 6: Ziegeleien in Leverkusen Wiesdorf und Küppersteg 2
Fa. Siebel
(1897: 150 Arbeiter) Die Firma muss, wie das Katalogbild erkennen lässt, in Rheinnähe gelegen haben.
Herr Siebel war entscheidend daran beteiligt, Carl Leverkus nach Wiesdorf zu holen. Von seiner Firma, gegründet 1836, ist ein sehenswerter Katalog von 1899 erhalten, der noch heute einen Einblick in die Größe und die Produktpalette der Firma bietet. (Abdruck mit freundlicher Erlaubnis des Dachziegelarchivs.de)
Auf die Form und Funktion seiner Ziegel erhielt Siebel sogar 1888 ein kaiserliches Patent. Kein Wunder, dass seine Dachziegel in ganz Deutschland auf öffentlichen Gebäuden zu finden sind, wie Katalogabbildungen zeigen.
Abbildungen:
Stolz präsentiert die Fa. Siebel in ihrem Katalog einige Referenzprojekte. Hier einige Beispiele aus Breslau, Bremen und Köln (großes Bild unten: Synagoge am Rathenauplatz)
ZIEGEL TAFEL 7: Ziegeleien in Leverkusen - weitere Ortsteile
Opladener Dampfziegelei Wilhelm Hamm, Im Friedenstal, Opladen
1898 erhielt der Kaufmann Wilhelm Hamm die Genehmigung zum Bau einer Dampfziegelei. Er versprach sich vom geplanten Bau des Ausbesserungswerkes der Reichsbahn zu Recht einen guten Absatz. Die Abb. auf seinem 1. Briefkopf (Abb. links) zeigt die anfängliche Größe der Ziegelei, die er schon bald zu einer Ringofenziegelei erweiterte. Der entsprechende Bauantrag wurde am 14. April 1906 genehmigt.
Als nach dem 1. Weltkrieg durch den Kohlemangel, Folge der Reparationszahlungen an Frankreich, der Betrieb nicht mehr in vollem Umfang weitergeführt werden konnte, wollte Hamm den Betrieb an die Stadt Opladen verkaufen, der geforderte Preis von 415.000 Mark war der Stadt aber zu hoch. Es kommt zu juristischen Auseinandersetzungen, die mit der Beschlagnahme durch die Stadt enden. Leider ist den Akten nicht zu entnehmen, wie lange die Stadt die Ziegelei weiterführte.
Im Jahr 1939 gibt es allerdings einen Bauantrag für den Neubau des Motorenraums, jetzt aber heißt die Firma Dampfziegelei Ecker & Co.
Nach dem 2. Weltkrieg muss es wieder einen Besitzerwechsel gegeben haben. Jedenfalls stellt die Ziegelei Friedenthal Hanke & Co. 1952 und 1953 Bauanträge für eine neue Trockenkammer bzw. einen Neubau des Maschinenraums. 1973 dann der Vermerk: Die Gebäude dieser Ziegelei seien abgerissen
Bild links: Das Luftbild der Ziegelei entstand 1958: Noch immer ist auf den Dachziegeln der ursprüngliche Name zu lesen. Aber man sieht auch im Hintergrund die Kante der Lehmabbaufläche sowie den Weg, über den der Lehm ins Werk gebracht wurde. Foto: Stadtarchiv Leverkusen
Lützenkirchen
Der Fabrikant Christoph Mülleneisen aus Cöln, wie man es damals noch schrieb, beantragte 1906 den Betrieb einer Feldbrandziegelei in Lützenkirchen, und zwar an der östl. Feldstr., zwischen der heutigen Lützenkirchener- und Görlitzer Str. Diese wurde ihm nur für 1 Jahr erteilt, da dann die Gemeinde Lützenkirchen in der Nachbarschaft Wohnhäuser errichten wollte und die Rauchbelästigung dann zu stark sei. Mülleneisen wollte mit seinen Ziegeln selbst Wohnhäuser bauen.
Ringofenziegelei Tillmanns, Bergisch Neukirchen
Als die Männer des Neukirchener Turnvereins 1904 beschlossen, eine Turnhalle zu bauen, versuchten sie, die Ziegel mit dem im Gelände vorliegenden Lehm selber zu brennen. Ihr erster Vorsitzender Rudolf Tillmanns erkannte die sich bietenden Möglichkeiten und baute dort, wo heute der Parkplatz neben der Stadthalle existiert, eine Ringofenziegelei, die auch die Ziegel für den Bau der Turnhalle – die heutige Stadthalle – lieferte.
Während der Auseinandersetzungen „Hamm contra Stadt Opladen“ erhielt er den Auftrag, für den Bauverein Opladen die Ziegel zu liefern, die Hamm nicht liefern wollte.
1934 übernahm sein Sohn Max Tillmanns die Ziegelei, die er in den 60er Jahren an einen Herrn Jenk verkaufte. Nach juristischen Auseinandersetzungen mit dem Käufer gelangte die Ziegelei in den Besitz der Bayer AG, die sie an die Stadt Bergisch-Neukirchen verkaufte. Diese ließ sie niederreißen, um an dem Platz das Hallenbad zu bauen.
4 Abbildungen rechts: Oben links: der Trockenschuppen, rechts: fertige Ziegel und Kohlevorrat.
Unten links: das Betriebsgebäude der Firma, Abriss zu Beginn der 1960er-Jahre, Fotos: Sammlung R. Braun
Schlebusch
Hier findet sich in den Akten ein Hinweis auf eine Ziegelbrennerei aus dem Jahr 1816 sowie ein Antrag auf Errichtung eines Ziegelringofens durch die Erben Matthias Hoven aus dem Jahr 1918, der dann aber nicht weiter verfolgt wurde (SA 40.299).
Ob die Firma A. Strunk, die in Wiesdorf die Ringofenziegelei betrieb, in Schlebusch auch eine Ringofenziegelei besaß, lässt sich aufgrund ihres Briefkopfes vermuten, über den genauen Ort geben die Akten aber keine Auskunft.
Großes Bild unten: Ziegelbauten des Ausbesserungswerkes in Opladen. Foto zur Verfügung gestelt von nbso (Neue Bahnstadt Opladen)
ZIEGEL TAFEL 8: Arbeitsbediengungen in den Ziegeleien
Einen Einblick in das Arbeiterleben einer solchen Ziegelei um 1900 liefern der Bauplan (man beachte die Zahl der Betten im Raum) und die Bedingungen in der Baugenehmigung für die Ziegelei Hamm:
Bild 1: Bauplan
Beispiele aus den Bedingungen:
Auszug aus der Baugenehmigung
- Gutes Trinkwasser muss den Arbeitern in ausreichender Menge jederzeit bereitstehen.
- Der den Arbeitern zu überweisende Waschraum ist in solcher Größe vorzusehen, dass auf jeden Arbeiter mindestens ½ qm Fußbodenfläche entfällt. Die Waschbecken müssen so groß sein, dass sie den Arbeitern gründliches Waschen gestatten, sie müssen Wasserzu- und ablaufleitung erhalten und ihrer Zahl nach so bemessen sein, dass für je zwei Arbeiter mindestens ein Becken bereit steht.
- Für die Arbeiter ist ein besonderer Baderaum mit mindestens zwei Duschen einzurichten und während der Kampagne dauernd gebrauchsfähig zu erhalten.
- Die Aborte sind als verschließbare Einzelzellen einzurichten, die Abortgrube ist durch ein hohes und weites Dunstrohr zu entlüften.
Der Begriff „Kampagne“ macht darauf aufmerksam, dass in dieser Phase wohl mit Wanderzieglern gearbeitet wurde. Diese kamen in der Zeit um 1900 aus dem Lipper Land. Und ähnlich wie hier der Unternehmer aus Witten dürfte auch Herr Hamm im Lipper Land nach Zieglern gesucht haben. Um 1910 arbeiteten während des Sommerhalbjahres rund 10% der lippischen Bevölkerung im Rheinland, Ruhrgebiet und Norddeutschland in der Ziegelindustrie.
Bild 2: Stellenanzeige für Ziegler, Aus: Dem Ziegelstein auf der Spur, Hrsg. LWL, Essen 2009, S. 41
Aus der Wiesdorfer Ringziegelei ist noch 1 Exemplar der Arbeits-Ordnung erhalten. Einige der Paragraphen:
Bilder 2-5
- ARBEITSORDNUNG
- LEGITIMATIONSPFLICHT
- ARBEITSZEIT
- LOHN
Von der kleinen Dachziegelei Wilhelm Stelzmann kennen wir die Zahl der Arbeiter im 1. Weltkrieg. Gegen Ende des Krieges arbeiten nur noch 2 Arbeiter im Werk. Entsprechend niedrig dürfte die Zahl der hergestellten Dachziegel liegen.
Bild 6: Katasterblatt: Stadtarchiv Leverkusen 10.01041
Großes Bild unten: Einräumen der vorgetrockneten Ziegel in den Ringofen der Firma Hamm